Durch Feuerland und Patagonien sind wir in kurzen Etappen recht schnell von Ort zu Ort gereist. Alle zwei Tage eine neue Umgebung, ein neues Bett und neue Eindrücke, es war schön aber auch anstrengend. Außerdem geht der Wind, der uns hier ständig um die Ohren pfeift, jetzt ein bisschen auf die Nerven. Wir brauchen Sonne und einen Platz, an dem wir uns erholen können. Für uns gibt es da nur ein Ziel, das in Frage kommt – also ab in den Flieger und auf geht’s nach Buenos Aires. Es kommt wahrscheinlich so manch einem merkwürdig vor, warum wir gerade in so einer wilden und lebendigen Stadt nach Ruhe suchen. Doch da besteht für uns kein Widerspruch, wir stellen immer wieder fest, dass wir echte Großstadtkinder sind und gerade mitten in diesem Trubel unsere Entspannung finden. Das Leben auf dem Land ist für uns oft mühselig, meistens muss man schon im Vorfeld viel organisieren. In der Stadt findet man alles was man braucht, ohne weite Wege zurückzulegen. Wir kommen schnell und unkompliziert an Bargeld, wir können die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und brauchen dabei nicht mit den Taxifahrern um den Preis feilschen und es gibt eine stabile Internetverbindung, um die nächsten Schritte zu planen. Also suchen wir uns ein hübsches kleines Apartment in der Hauptstadt, decken uns mit Lebensmitteln ein, vergessen für eine Weile das Reisen und werden die Wohnung für die nächsten drei Tage nicht verlassen. Unser Kopf ist voller schöner Bilder und Erinnerungen, die erst einmal verarbeitet werden wollen. Einen Großteil unserer Zeit verbringen wir auf unserem Balkon und beobachten die Porteños auf der Straße, wir nehmen uns Zeit um gemeinsam zu kochen, manchmal liegen wir einfach nur faul vor der Glotze oder wir lesen unseren eigenen Reiseblog, um uns zu erinnern, was wir schon alles erlebt haben.
Ich reise niemals ohne mein Tagebuch, man sollte immer etwas aufregendes zu lesen haben.
Oscar Wilde
So ein ruhiges und faules Osterfest haben wir in unserem ganzen Leben noch nicht verbracht. Auf den Straßen ist da schon etwas mehr Trubel, als in unseren vier Wänden. Es gibt gar nicht so große Unterschiede zu den deutschen Ostertraditionen. Überall gibt es Ostereier in allen Größen und Variationen, die Kinder tragen Hasenohren auf dem Kopf, die Eier sind in fast allen Läden ausverkauft, an jeder Ecke spielt eine Blaskapelle christliche Ostermusik und die Leute gehen fleißig in die Kirche.
Nach dieser Erholungspause trauen wir uns wieder auf die Straße und haben Lust etwas zu erleben. Eine Sightseeingtour, die wir uns selber zusammengebastelt haben, führt uns zuerst zum Friedhof La Recoleta. In einem der teuersten Stadtviertel von BAires fanden hier viele wohlhabende und prominente Einwohner ihre letzte Ruhestätte, die berühmteste ist wohl die einstige Präsidentengattin Eva Perón. Der Friedhof erinnert uns mit seinen riesigen Mausoleen an den Père Lachaise in Paris, den wir vor einigen Jahren einmal besucht haben – obwohl wir diesen etwas spektakulärer fanden, ist die argentinische Version auf jeden Fall einen Besuch wert.
Ein echtes Sinnbild des Lebens begegnet uns beim anschließenden Bummel durch das Stadtviertel Recoleta. Hier steht ein fast 200 Jahre alter Gummibaum, sein Stamm hat einen Durchmesser von sieben Meter, seine Krone ist mit 50 Meter Durchmesser in Satellitenaufnahmen zu sehen und seine Äste stützen sich auf Säulen, wie ein alter Greis auf seinen Gehstock. Ein wirklich schöner Ort um einige Zeit zu verweilen, bevor wir zu einem der jüngsten Wahrzeichen von Buenos Aires schlendern. Die Floralis Genénerica ist eine 23 m hohe und 18 Tonnen schwere Skulptur, die ein einzigartiges Fotomotiv abgibt. In der riesigen Blüte aus Stahl und Aluminium spiegelt sich die Sonne und die Umgebung, und am Abend schließen sich die überdimensionalen Blütenblätter, um sich am nächsten Morgen wieder zu öffnen.
Ein kleiner Abstecher nach Asien steht heute auch auf dem Programm, denn die argentinische Hauptstadt beheimatet einen der größten Japanischen Gärten außerhalb Japans. Zwischen buddhistischen Tempel, Bonsai, Koi-Karpfen, Kirschbäumen und Azaleen vergessen wir für ein paar Stunden, dass wir in Südamerika sind. Auf dem Heimweg werden wir langsam fußlahm und machen nur noch einen kurzen Stopp am Planetarium.
Natürlich darf ein Besuch in La Boca nicht fehlen, es ist eines der ärmsten und das wohl bekannteste Stadtviertel der Hauptstadt und ein echtes Touristenmagnet. Wenn die Häuser bunt sind, du die Magie des Tangos spürst und Fußball allgegenwärtig ist, dann bist du in La Boca. Einst von südeuropäischen Einwanderern gegründet erinnert uns der Stadtteil an Bo Kaap in Kapstadt, aber hier in Argentinien geht es viel lebendiger und wilder zu. Viele Künstler preisen ihre Werke auf der Straße an, es gibt unzählige kleine Geschäfte mit allerlei buntem Krimskrams, etliche Restaurants und Cafés locken mit argentinischen oder italienischen Spezialitäten und an jeder Ecke wird Tango getanzt. Hier gefällt es uns richtig gut und wir verbringen viele Stunden in dem Getümmel. Einschlägige Reiseführer raten davon ab, die Nebenstraßen von La Boca zu benutzen – angeblich zu gefährlich. Wir lassen uns aber nicht abschrecken und schauen uns auch da um und gut, dass wir es gewagt haben, denn hier wartet auf uns eine Parrilla der Spitzenklasse. Der riesige Grill steht draußen und ist mit den besten Stücken vom Rind belegt. Wir entscheiden uns für das beliebteste Straßenessen in Argentinien – Choripan. Kurz gesagt ist es eine Wurst im Brötchen, aber denkt nicht, es handelt sich hier um einen einfachen Hotdog. Wenn man in ein wirklich gutes Choripan beißt, so wie wir gerade, dann explodieren die Geschmacksnerven. Die würzige Chorizowurst, im knusprigen Baguette mit reichlich scharfer Salsa ist eine echte Delikatesse und für uns ein ganz besonderer Genuss. In den nächsten Wochen werden wir noch einige Choripans probieren, aber keine wird so gut schmecken, wie die im El Gran Paraiso.
Der Abschied von Argentiniens Hauptstadt fällt uns nicht leicht, wenn wir nicht wüssten, dass noch viele spannende und aufregende Sachen auf uns warten, dann würden wir einfach hier bleiben. Aber wir packen unsere Sachen, lassen uns vom Taxi zum Flughafen bringen und fliegen zur nächsten Attraktion.