Wir haben Wyoming hinter uns gelassen, Idaho in entgegengesetzte Richtung durchquert und kommen vier Tage später am Crater Lake an. Als wir ihn das erste Mal erblicken, können wir es kaum fassen. Wir haben noch nie so einen dunkelblauen See gesehen. Ein amerikanischer Schriftsteller sagte einst über ihn:

„Das tiefe Blau des Crater Lake in Oregon, des tiefsten Sees der Vereinigten Staaten, ist von einer unerträglichen Schönheit, die die schwachen Kräfte rationalen Denkens weit übersteigt […] Da nur Schnee und Regen ihn füllen – während Sonne und Wind für Verdunstung sorgen – ist der See frei von Schwebeteilchen, wie sie bei fließenden Gewässern anzutreffen sind; die blauen Anteile des Sonnenlichts werden reflektiert, die übrigen Farben dagegen absorbiert, so dass er der blaueste aller blauen Seen der Welt ist.“

Alexander Theroux

Als der Vulkan Mount Mazama vor vielen tausend Jahren ausbrach, hinterließ er das heutige Becken des blauen Sees, welches sich seither ausschließlich mit Regen- oder Schmelzwasser füllt. Umgeben ist der im hohen Kaskadengebirge gelegene Kratersee von einer malerischen Hügellandschaft, Vulkangipfeln und lichten Wäldern. Auf den rund 150 km Wanderwegen und dem 53 km langen Rim Drive, der um den See herum führt, gibt es zahlreiche Aussichtspunkte. Wir nehmen uns bis zum Sonnenuntergang Zeit, um den See von allen Seiten zu betrachten. Über den Cleetwood Cove Trail gelangt man über steile Serpentinen auch hinunter ans Wasser. Dort kann man eine Bootstour machen oder eine Runde im eiskalten Blau schwimmen. Aber wie ihr längst wisst, das Schwimmen gehört nicht zu unseren Lieblingsbeschäftigungen. Nass und kalt!? Keine Option für uns. Da machen wir uns lieber auf zu den Pinnacles, ganz in der Nähe des Sees. Wie Nadeln ragen die Felsformationen, die beim Abkühlen der heißen Asche entstanden sind, bis zu neunzig Meter in die Höhe. Ein echter Hingucker. Unvergesslich wird wohl auch der Sonnenuntergang bleiben, den wir am Abend genießen, aber als die Sonne verschwunden ist, wird es empfindlich kalt und wir verkriechen uns schnell in unser kleines, gemütliches Schlafzimmer.

Am nächsten Tag ist es dann mal wieder soweit. Absoluter Overflow! Nach soviel blau ist kaum noch Speicherplatz für andere Schönheiten übrig. Also werden wir uns einen abgelegenen Campingplatz im Wald suchen und das Betriebssystem herunterfahren. Doch erstmal kommen wir an Springfield vorbei und Andreas, als großer Simpsons-Fan, muss die kleine Stadt, die Matt Groening als Vorlage diente, natürlich erkunden. Das große Wandgemälde von dem uns March, Homer und ihre drei Gören anblicken, ist nicht zu übersehen, aber ansonsten ist es hier ziemlich langweilig und das sorgt für eine schnelle Weiterfahrt.

Im Willamette National Forest finden wir das, was wir suchen. Ein Campingplatz mitten im Wald, wenig Menschen und die absolute Ruhe. Ganz klar, hier werden wir ein bisschen Zeit verstreichen lassen. Spazieren gehen, lesen, planen und neuen Speicherplatz schaffen. Damit wir in den nächsten Tagen auch wirklich Ruhe haben, setzt sich Andreas nochmal schnell ins Auto, um Zigaretten zu holen und Kerstin bleibt derweil auf dem Campingplatz. Aber das wir sooo weit weg von jeglicher Zivilisation sind, damit haben wir beide nicht gerechnet. Als Andreas nach anderthalb Stunden noch nicht zurück ist, wird Kerstin unruhig. Sie hockt auf dem Zeltplatz ohne Papiere, ohne Geld, ohne irgendwas. Liegt ja alles im Auto! „Ich geh mal schnell Zigaretten holen“ … dieser Satz kann einem in solchen Momenten ziemlich Angst machen. Dann kommt auch noch die Polizei vorbei und sucht nach einer Person. Vor Kerstins innerem Auge zeigen sich beunruhigende Bilder. Schnell weg damit, wird schon alles gut sein! Und dann, nach zwei vollen Stunden, kommt Andreas gesund und munter wieder angefahren. Puh, da fällt Kerstin ein riesen Stein vom Herzen. Das nächste Mal müssen wir das Zigarettenproblem irgendwie anders lösen.

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