Im südlichen Teil des Great Salt Lake befindet sich Antelope Island und über einen Damm, der die Halbinsel mit dem Festland verbindet, fahren wir gleich nach Tagesanbruch in den Antelope State Park. Den Park kann man entweder mit dem Auto erkunden oder zu Fuß von einem Aussichtspunkt zum nächsten wandern. Wir entscheiden uns für ersteres. Vor uns liegt eine bizarre Landschaft, die zwar wunderschön, aber nicht sehr lebensfreundlich erscheint. Eigentlich soll man hier jede Menge Bisons und Antilopen zu Gesicht bekommen, doch uns zeigen sich, außer blutrünstiger Insekten, keine Tiere. Der See selbst ist zu großen Teilen ausgetrocknet, man kann gut erkennen, wie weit sich das Wasser zurückgezogen hat, womöglich ein Grund für Büffel und Co die Gegend zu verlassen. Nach einem Spaziergang und ein paar Schnappschüssen verlassen wir die Insel wieder und machen uns auf in südliche Richtung, quer durch Salt Lake City, vorbei am Utah Lake, bis zum Scofield State Park, in dem wir einen überragenden Übernachtungsplatz an einem See finden. Etwas entfernt tummelt sich eine Großfamilie mit Schlauchbooten am Seeufer, ansonsten ist die Umgebung menschenleer. Wir genießen die Nachmittags- und Abendstunden bei bestem Ausblick und entspannter Atmosphäre. Beim Abendessen bekommen wir dann doch noch Besuch, die kleinen putzigen Chipmunks halten einen gedeckten Tisch wohl für eine Einladung, zeigen keinerlei Scheu sich an unserem Essen zu bedienen und auch vor unserem fahrbaren Wohnraum machen sie nicht halt, denn eine offene Autotür kann man nicht ignorieren, da wird alles ausgiebig erkundet.

Von den 61 Nationalparks, die sich in den USA befinden, liegen fünf in Utah und wir werden „The Mighty Five“ alle besuchen. Den Anfang machen wir im Arches Nationalpark. Unweit vom Eingang des Parks finden wir in Moab einen Campingplatz, der uns für die nächsten Tage als Basislager dient. Als wir im Arches ankommen und die ersten riesigen Steinfelsen erblicken, bleibt uns fast die Luft weg. Wow, mega, gigantisch, schön … uns fehlen die passenden Worte, aber wir werden die Stunden, die wir hier verbringen, nie vergessen. Viel zu oft bekommt man beim Anblick der bogenförmigen Felsformationen eine Gänsehaut. Besonders Andreas reagiert heftig auf diese imposante Umgebung und kann die Reaktion seines Körpers nicht so recht kontrollieren, da kullert die ein oder andere Glücksträne über die Wangen. Man ist einfach überwältigt und auch etwas überfordert, bei der Vorstellung, dass gewaltige Naturkräfte wie Wasser, Eis und extreme Temperaturen hier am Werke waren und die darauffolgenden 100 Millionen Jahre fortwährende Erosion diesen Ort formten. Die über 2000 natürlich entstandenen Steinbögen, welche sich auch heute noch stetig verändern, machen den Ort irgendwie magisch. Konkurrenz bekommen die zahlreichen Bögen von hochaufragenden freistehenden Felsen, die allesamt wie Skulpturen erscheinen und je nach Sonnenstand mal braun, mal gelb oder in einem kräftigen orange erstrahlen. Die amerikanischen Ureinwohner haben sich dieses Gebiet tausende Jahre lang zu Nutzen gemacht, sie sammelten essbare Pflanzen oder jagten mit Steinwaffen Tiere, um ihren Stamm zu ernähren. Noch heute zeugen Felszeichnungen von ihrer Existenz. Wir haben ja jetzt schon etwas Übung darin, den Spirit der alten Kräfte zu erspüren und diesmal ist es Andreas, der diese Anziehungskraft deutlich spürt und sich bis ins Innerste berührt fühlt.

Um zu erkunden, welcher Bereich des Parks sich bei Sonnenaufgang und welcher bei Sonnenuntergang von seiner schönsten Seite zeigt, verschaffen wir uns erstmal einen Überblick. In den kommenden Tagen werden wir immer wieder zu unterschiedlichen Tageszeiten hierher zurückkehren und nicht ein einziges Mal die Lust daran verlieren, durch die Gegend zu streifen. Das Basislager nutzen wir nur selten, manchmal liegen wir zur Mittagzeit im Pool, um uns abzukühlen und die Körpertemperatur ein bisschen zu senken, oder wir grillen zum Abendessen, ansonsten gibt es hier wenig Schatten, viel Wind und jede Menge Staub.

In direkter Nachbarschaft befinden sich zwei weitere Parks und wir nehmen uns einen ganzen Tag Zeit, um sie zu besuchen. Der Canyonlands Nationalpark, inmitten des Colorado Plateau gelegen, ist eine riesige Wildnis aus Fels und Stein. Auch hier waren Wasser und das Gesetzt der Schwerkraft die Architekten der Landschaft und schufen hunderte von farbigen Schluchten, Tafelberge, Steinsäulen, Steinhügel und Felstürmchen. Das Herz dieser Landschaft bilden zwei tiefe Schluchten, die vom Colorado River und vom Green River geformt wurden. Die beiden Flüsse teilen den Park in die drei Teile „Island in the Sky“ im Norden, „The Needles“ im Südosten und „The Maze“ im Westen. Der nördliche Teil, von den beiden Flüssen eingekeilt, ist der Aussichtsturm des Nationalparks. Von hier aus genießen wir den Blick auf die White Rim, eine nahtlose Sandsteinbank, die 366 m unter uns liegt und wie ein V das Plateau umschließt und nochmal 305 m darunter fließen die beiden Flüsse im Schatten der Klippen entlang. Wenn man den Blick weit in die Ferne schweifen lässt, erahnt man die beiden anderen Distrikte, ein Blick von unglaublicher Dimension. Ein Tag in diesem Park ist wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, denn mit einem Geländewagen könnte man alleine entlang der White Rim zwei Tage unterwegs sein. Ob mit dem Geländewagen, zu Fuß, einem Motorboot, Schlauchboot oder Kanu, hier kann man wahrscheinlich wochenlang Spaß haben. Dieser Ort ist auf jeden Fall für uns eine weitere Reise wert, mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit werden wir hierher zurückkehren.

Auf dem Rückweg nach Moab kommen wir am Dead Horse Point State Park vorbei, dort hatten wir am Morgen schon unser Glück versucht, doch da hat uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht, jetzt finden wir perfekte Bedingungen. Der Name des Parks macht erstmal ratlos, denn nirgends ist ein Pferd zu sehen, schon gar kein totes. Eine kleine Recherche sorgt aber schnell für Verständnis. Im 19. Jahrhundert nutzten vor allem Pferdediebe das Hochplateau als Koppel, aber nur Zuchtpferde wurden von dort wieder befreit, alle anderen blieben zurück und mussten zugrunde gehen, da die Gegend weder Nahrung noch Wasser bietet. Der Colorado River fließt zwar durch den Park, aber 600 m in der Tiefe und somit unerreichbar. Die 180 Grad Kehre, die der Fluss an dieser Stelle macht, bietet ein exklusives Fotomotiv, ist aber nicht zu verwechseln mit dem Horseshoe Bend, der ca. 500 km südlich liegt und den wir auch noch bewundern werden. Das dieser Ort in einigen Blockbustern als Kulisse diente ist nachvollziehbar, aber wenn wir mal ganz ehrlich sind, gleicht ganz Utah einer Filmkulisse.

Nach vier Tagen machen wir uns auf den Weg zum nächsten Highlight, ca. 200 km südwestlich wartet der Capitol Reef Nationalpark auf uns. Die Zeltplätze in der Nähe des Parks sind alle voll und wir verbringen etwas Zeit damit, ein passendes Lager für die Nacht zu finden. Nicht weit entfernt wartet ein großer Campingplatz, der völlig verlassen ist. Die Zufahrt ist verschlossen, aber am Eingang finden wir die Telefonnummer des Betreibers. Fragen kostet bekanntlich nichts und siehe da, zehn Minuten später öffnet sich für uns das Tor und wir haben eine Bleibe. Wir sind auf jeden Fall erstmal allein. Ob sich andere Besucher vom Namen des Campingplatzes „Sleepy Hollow“ abschrecken lassen? Na wer weiß. Wir freuen uns, als sich noch ein Pärchen aus England zu uns gesellt und es dauert nicht lange, da steht die Whiskyflasche auf dem Tisch und wir verbringen einen lustigen Abend mit Slim und Paul.

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