Da stehen wir nun mit unseren Rucksäcken in Ushuaia – nachdem wir tagelang nur die Menschen auf dem Schiff und die Einsamkeit der Antarktis um uns herum hatten, fühlt es sich schon ein bisschen eigenartig an – Straßen, Häuser, Autos und fremde Menschen. Willkommen in der Zivilisation. Der Abschied von unseren neuen Freunden hat uns dann doch etwas betrübt, wir haben ein unvergessliches Erlebnis miteinander geteilt, sowas verbindet und nun müssen wir uns trennen, alle brechen auf, um neue Reiseabenteuer zu erleben. In dieser Situation vermischen sich die Gedanken im Sekundentakt. Man denkt an die schönen Tage, die nun in der Vergangenheit liegen und ist gleichzeitig ganz neugierig, was die nahe Zukunft bringt.

Die Gegenwart ist der Zustand zwischen der guten alten Zeit und der schöneren Zukunft.

Marko Petan

Also setzen wir uns am Hafen erstmal auf eine Bank, lassen Autos, Menschen und Gedanken an uns vorüberziehen und konzentrieren uns auf den Augenblick. Wir sind in Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt, in Feuerland, da haben andere schon Lieder drüber gesungen, wir sollten uns unbedingt überlegen, was wir hier erleben wollen. Schwer zu sagen, wie lange wir dort sitzen, irgendwann raffen wir uns auf, suchen uns ein Taxi und fahren zu Jack, der die nächsten Tage eine Bleibe für uns hat. Den Kontakt zu Jack haben wir unserem Gastgeber Louis aus Pretoria zu verdanken, mit dem wir immer noch im regen Kontakt stehen. Das Haus befindet sich etwas außerhalb des Stadtzentrums, was uns sehr entgegen kommt. Wir werden ganz herzlich begrüßt und plaudern ein bisschen über unsere Reise, dabei stellt sich heraus, dass Jacks Frau Marta lange Zeit die Expeditionsleiterin für die Antarkrisreisen auf der MS Ushuaia war und ein Logbuch für dieses Erlebnis verfasst hat. So ein Zufall, das Buch haben wir doch schon mal gesehen, bei einigen Passagieren auf unserem Schiff. Jetzt besitzen wir auch eins und obendrein mit persönlicher Widmung der Autorin.

Unsere erste Aufgabe ist es, unsere Weiterreise zu organisieren. Also fahren wir noch am gleichen Tag zurück in die Stadt und besorgen uns ein Busticket Richtung Punta Arenas in Chile. Anschließend setzen wir uns in ein Cafe und planen unseren Trip durch Patagonien. Außerdem versucht Kerstin den Blogbeitrag für die Antarktis zu verfassen – aber es soll vorerst bei einem Versuch bleiben, der am nächsten Tag wieder gelöscht wird. Da finden sich noch nicht die passenden Worte, wir brauchen erstmal etwas Abstand.

Wer die Sache mit Abstand betrachtet, kommt ihr häufig näher.

Horst Fleitmann

Also kümmern wir uns um´s hier und jetzt und werden Feuerland zu Fuß erkunden. Erste wichtige Regel beim Wandern in dieser rauen Gegend – Wenn das Wetter schön ist, sofort losgehen. Als wir am nächsten Morgen aus dem Fenster schauen, sind wir uns nicht ganz sicher, ob das Wetter schön ist. Es ist nicht kalt, es regnet nicht aber die Wolken hängen tief und den Berichten der Einheimischen nach zu urteilen, kann in den nächsten Stunden alles passieren. Wir lassen die Situation von einem Profi beurteilen und Jack ist der Meinung, wenn wir gutes Schuhwerk, genügend Wasser und warme Kleidung dabei haben, kann es losgehen. Wanderwege gibt es in der Provinz Tierra de Fugeo (Land des Feuers) viele, Jack hat uns eine Strecke empfohlen, die abseits der Touristenpfade liegt und er ist auch so nett und bringt uns zu dem 5 km entfernten Startpunkt. In den nächsten acht Stunden durchstreifen wir grüne Täler, schlagen uns durch dunkle, märchenhafte Wälder, die auf den ersten Blick undurchdringlich erscheinen und wandern vorbei an schneebedeckten Bergspitzen. Der Weg ist nicht immer einfach aber dafür wunderschön und wir begegnen kaum einer Menschenseele. Hier sollen wir das erste Mal erleben, wie es sich anfühlt, in kurzer Zeit verschiedenen Jahreszeiten zu erleben. Und da sind wir auch schon bei der zweiten wichtigen Regel, beim Wandern auf Feuerland – Kleide dich nach dem Zwiebelschalenprinzip. Unten im Tal sind die Temperaturen frühlingshaft warm, auf halber Höhe begrüßt uns der Herbst und präsentiert uns die ersten bunt gefärbten Blätter und kurz vor dem Ziel brauchen wir dann dickere Jacken, Mütze und Handschuhe, denn es ist winterlich kalt und fängt an zu schneien. Es ist schon faszinierend, wenn man nach wenigen Schritten plötzlich in einer ganz anderen Welt steht. Trotz der Einsamkeit in den Bergen finden wir bald einen Gefährten, der uns treu zur Seite steht, uns manchmal auf den richtigen Weg zurückführt und uns die Pausen mit seiner Anwesenheit versüßt. Da er uns nicht sagen kann, wie er heißt, taufen wir unseren neuen vierbeinigen Freund Sweety und sind selber ganz erstaunt darüber, dass er uns die nächsten Stunden nicht mehr von der Seite weicht. Man sieht ihm an, dass er hier oben in den Bergen wohnt und er beweist es uns immer wieder, da er den Weg in und auswendig kennt. Doch offensichtlich hat er keinerlei Interesse daran, in die Stadt zu ziehen, denn an der gleichen Stelle, an der er sich zu uns gesellt hat, verlässt er uns still und leise wieder. Das war eine tolle Begegnung und wir können jetzt schon verraten, er wird nicht unser einziger vierbeiniger Freund bleiben.

Auf den letzten 5 km machen wir es dann wie die Einheimischen und halten an der Landstraße den Daumen raus und siehe da, es dauert gar nicht lange und ein netter älterer Herr nimmt uns in seinem Jeep ein ganzes Stück mit. So geht ein anstrengender aber gelungener Tag zu Ende und wir liegen am Abend zufrieden in unseren Betten.

Den letzten Tag brauchen wir, um die Planung der Patagonienreise zu beenden und dann müssen wir uns schon von Jack, Marta und Feuerland verabschieden.

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