Nach 14 ereignisreichen Tagen gibt es für uns einen Ortswechsel in Simbabwe, wir fahren mit dem Nachtzug von Victoria Falls nach Bulawayo und weiter mit dem Mietwagen nach Masvingo – genauer gesagt in die umliegenden Berge nach Glenlivet. Bevor wir in den Zug steigen, statten wir uns noch mit einer Pizza und ausreichend Trinkwasser aus – der Zug soll zwar nur neun Stunden bis zum Zielort brauchen, aber wir wurden schon darauf vorbereitet, dass es wohl länger dauern wird. Eigentlich kann man am Bahnhof Bettzeug für das Schlafwagenabteil kaufen, doch heute ist leider keins im Angebot. Nicht so schlimm, wir haben ja Schlafsäcke dabei. Für die Strecke von ungefähr 470 km zahlt man pro Nase 12 US$, dass hört sich erstmal an wie ein echtes Schnäppchen, aber noch haben wir den Zug nicht von innen gesehen. Es gibt Abteile in denen man nur sitzen kann, wir haben uns aber für das 1. Klasse Ticket entschieden, denn wir hoffen, ein bisschen Schlaf zu finden. Die Waggons sind noch aus den alten Zeiten der Rhodesien Railways, die es schon seit 1980 nicht mehr gibt und sie wirken, als hätte sie schwere Zeiten hinter sich. Unser Abteil ist so klein, dass es schon ein Kunststück ist, mit zwei Personen samt Rucksack darin Platz zu finden, es ist unglaublich heiß und über Sauberkeit können wir nichts sagen – es gibt nämlich keine. Da wir schon damit gerechnet haben, sind wir nicht all zu schockiert, wir wollten unbedingt Eisenbahnromantik. Und wenn man ein bisschen Fantasie hat und sich vorstellt, dass unter dem ganzen Dreck die Innenausstattung mal neu war, kommt tatsächlich ein wenig Romantik auf. Ganz pünktlich verlässt der Zug den Bahnhof und rattert los, die erste Stunde schauen wir wie gebannt aus dem Fenster, denn es gibt ein mächtiges Gewitter, das uns durch seine hellen Blitze immer wieder einen Blick auf die Landschaft erlaubt. Irgendwann ist es wirklich dunkel, leider nicht nur draußen, sondern auch im Zug, denn das Licht, was beim Einsteigen noch ging, soll bis zum Morgengrauen nicht mehr funktionieren – zum Glück sind wir mit Taschenlampen ausgerüstet. An Schlaf ist nicht zu denken, denn es ruckelt so sehr in alle Richtungen, dass man sich Zeitweise festhalten muss, um nicht von der Liege zu rutschen. Mit Hörbüchern ausgerüstet überstehen wir die Nacht und freuen uns über die ersten Sonnenstrahlen – jetzt können wir endlich wieder etwas sehen. Andreas bestaunt die nicht vorhandenen Signalanlagen, eigentlich ist das nicht ganz korrekt, denn hier und da stehen noch Signale, aber sie sind alle außer Betrieb. Upps – vielleicht war es doch besser im Dunkeln zu fahren, da musste man sich nicht soviel Gedanken über die Sicherheit im Zugverkehr machen. Immer wieder halten wir an, dann kann man beobachten, wie ein paar Mitarbeiter aus dem Zug springen. Einige laufen an den Wagen entlang und kontrollieren mit einem Hammer bewaffnet, ob die Achsen noch in Ordnung sind und ein anderer stellt die Weichen. Irgendwann muss es schon mal elektrische Weichenantriebe gegeben haben, denn ab und zu kann man die Überreste erkennen, aber der Fachkundige Blick von Andreas lässt uns daran zweifeln, dass diese noch funktionstüchtig sind. Interessant ist es auch, die Menschen entlang der Zugstrecke zu beobachten. Wenn der Zug anhält steigt immer irgend jemand ein oder aus, auch wenn es hier gar keine Haltestelle gibt und überall wird durch die Fenster Handel getrieben und Essen und Trinken verkauft. Ein echtes Erlebnis so eine Zugfahrt in Simbabwe. Mit sieben Stunden Verspätung rollen wir dann im Bahnhof in Bulawayo  ein und haben nach 16 Stunden endlich die Gelegenheit einmal unsere Glieder von uns zu strecken.

Als wir den Bahnhof verlassen und uns umschauen, kommt plötzlich ein Mann auf uns zugestürzt und fragt, ob wir ein Taxi brauchen. Ja, wir brauchen tatsächlich ein Taxi zum Flughafen, der etwas außerhalb der Stadt liegt, dort können wir nämlich unseren Mietwagen abholen. Natürlich wollen wir erst wissen, was die Fahrt denn kosten soll. Mit 25 US$ liegt der gute Mann völlig im Rahmen und wir stimmen zu und folgen ihm zu seinem Auto. Da sitzen schon zwei junge Schwarzafrikaner drin, die kurzerhand vom Taxifahrer aus dem Auto geworfen werden. Wir protestieren erstmal, denn wir finden bestimmt auch ein anderes Taxi, aber da ist es schon zu spät, die beiden haben bereitwillig die Flucht ergriffen. Nun sitzen wir in einer echten Klapperkiste, dass die Karre noch fährt ist erstaunlich. Unser erster Weg führt uns zur Tankstelle, wo der nötige Sprit eingefüllt wird, um bis zum Flughafen zu kommen. Die Kosten müssen wir übernehmen, sozusagen als Vorschuss, denn die Taschen des Fahrers sind leer. Danach fahren wir zu einer Werkstatt, um Luft auf die vier Reifen zu bekommen und dann geht es tatsächlich Richtung Flughafen. Wir kommen uns vor, wie bei der versteckten Kamera und vermuten, dass uns ein lustiger Freund aus Deutschland einen Streich spielt – aber dem ist nicht so, das ist das echte afrikanische Leben. Auf der Fahrt zum Flughafen wird ordentlich geplaudert und der Taxifahrer fragt uns, ob es wirklich stimmt, dass die alten Menschen in Deutschland, wenn sie nicht mehr arbeiten können, Geld vom Staat bekommen. Wir erklären ihm, wie das bei uns funktioniert. Wenn man viele Jahre gearbeitet hat, einen guten Job hatte und ordentlich Beiträge an den Staat gezahlt hat, bekommt man eine gute Rente, zahlt man weniger ein, kann die Rente ziemlich gering ausfallen. Der Mann ist begeistert – er würde sich über einen ganz geringen Teil freuen, denn er macht mit seinen 70 Jahren jeden Tag ein paar Fahrten für die Leute, die gewillt sind in seine Klapperkiste einzusteigen, damit er sich etwas zu essen kaufen kann. Jetzt sind wir irgendwie froh, dass wir ihm die lange Fahrt zum Flughafen ermöglichen können und er hat großes Glück, denn er findet auch noch einen Passagier für die Rückfahrt. Und auch wir haben Glück, denn wir bekommen ein schickes, geräumiges und vollständig funktionstüchtiges Auto für die Fahrt nach Masvingo. Im Vorfeld haben wir schon Kontakt zu Amy und ihrem Mann Jared geknüpft, bei denen wir die nächsten zwei Tage wohnen und ihnen mitgeteilt, dass wir erst am Abend und vermutlich hungrig ankommen werden. Nach nochmal fünf Stunden Autofahrt und insgesamt 23 Stunden haben wir unser Ziel erreicht. Wir beziehen unsere kleine Lodge und bekommen ein grandioses Abendessen – Schweinebraten mit Kartoffeln und Gemüse. Wir sind im Schlaraffenland  – jedenfalls kommt es uns gerade so vor und dann fallen wir ins Bett und schlafen selig.

Am nächsten Morgen können wir erst einmal unsere neue Bleibe und die Umgebung begutachten. Oben auf dem Hügel steht das Haupthaus, in dem unsere Gastfamilie wohnt und ca. 200m weiter unten stehen im Wald drei kleine Häuschen. In einem haben wir uns breit gemacht – ein Zimmer, eine Küchenzeile und eine Dusche mit WC – alles schon etwas in die Jahre gekommen, aber sauber und gemütlich. Wir fühlen uns wohl und werden uns nach dem gestrigen Trip erstmal etwas Ruhe gönnen. So sitzen wir vor unserer kleinen Lodge und lauschen den Geräuschen, die man im afrikanischen Wald so zu Ohren bekommt – klingt ziemlich aufregend. Da bewegt sich vor uns plötzlich das Gras und wir beobachten, wie sich eine Schlange den Weg um unser Häuschen bahnt. Andreas hat gerade zufällig die Kamera im Anschlag und geht auf Verfolgungsjagd, um das Tier vor die Linse zu bekommen. „Oh nein“ hört Kerstin ihn laut rufen. Was ist denn jetzt passiert? Hat sich doch das Vieh tatsächlich in unseren Abfluss geschlängelt – also rein ins Haus und abgesucht, wo das Reptil wieder rauskommt. Andreas hält draußen die Stellung und beobachtet das Abflussrohr, falls sie den Rückweg antritt und Kerstin geht mutig ins Badezimmer und schiebt den Duschvorhang zur Seite. Und siehe da, der Kopf einer Speikobra streckt sich aus dem Abfluss, sie ist zwar nicht sehr groß, aber vielleicht trotzdem gefährlich, wer weiß das schon. Ok, wir brauchen Hilfe! Kerstin läuft ins Haupthaus und erzählt Jared, dass wir eine Schlange in der Dusche haben. Er kommt natürlich sofort mit, ist aber noch nicht so richtig überzeugt, ob es sich wirklich um eine Schlange oder doch um einen großen Regenwurm handelt. Als er unseren Fund in Augenschein nimmt, ist er nicht mehr ganz so cool. Wir müssen das Tier auf jeden Fall fangen, denn es ist giftig und wenn die Schlangen unbeschadet auf dem Grundstück herumkriechen können, kommen noch mehr davon. Eigentlich hat die Familie zwei Hunde, die sich um die Biester kümmern, aber die sind diese Woche leider nicht da. Wir arbeiten alle drei zusammen und versuchen von hinten und von vorne die Schlange aus dem Rohr zu locken, nach 20 Minuten haben wir sie dann gefasst und Jared kümmert sich um den Rest, da wollen wir nicht mehr zuschauen. Jetzt sind wir ein bisschen aufgeregt, als wir gestern angekommen sind, haben wir uns ohne Befürchtungen in die Dusche gestellt und hätten wir sie nicht zufällig gesehen, was wäre dann bei der nächsten Dusche passiert? Ok – keine Panik, alles ist gut gegangen und das Abflussrohr haben wir jetzt vorsichtshalber von innen und außen mit Steinen verbarrikadiert.

In den nächsten zwei Tagen kämpfen wir in unserer Unterkunft noch mit Spinnen, Skorpionen und komischen Fröschen. Ab sofort werden alle Taschen verschlossen gehalten und die Schuhe vorm anziehen nach Mitbewohnern abgesucht. An beiden Tagen gibt es keinen Strom, was die Suche nach Ungetier am Abend nicht leichter macht. Zum Glück haben wir ein Moskitonetz dabei, also heißt es, wenn es dunkel wird, ab ins Bett – dort fühlen wir uns sicher. Aber zuvor können wir vom Hügel aus noch einen fantastischen Sonnenuntergang erleben.

Natürlich sind wir nicht in die Gegend gekommen, weil wir mal im Wald schlafen wollten. Wir sind hier, um uns Great Simbabwe anzuschauen. Die Ruinenstadt ist der größte und älteste vorkoloniale Steinbau südlich der Sahara und war vom 11. – zum 15. Jh. das Machtzentrum des Monomotapa Reichs. Es ist sehr beeindruckend, durch die alten Mauern zu laufen und wir sind wirklich überrascht über das riesige Gelände und wie die natürlichen Felsformationen in den Bau integriert wurden. In einem kleinen Dorf können Touristen eine Nacht in Huts, so werden die traditionellen Rundhäuser genannt, verbringen. Leider gibt es kaum Informationen über die einzelnen Ruinen oder die alte Kultur, wir hätten gerne mehr erfahren. Aber ein Besuch lohnt in jedem Fall.

Auf der Rückfahrt zur Unterkunft überqueren wir den Kyle-Dam, fahren am Lake Mutirikwi entlang und an vielen kleinen ganz idyllisch gelegenen Dörfern vorbei. Eine großartige Landschaft und wir bleiben immer wieder stehen, um zu genießen oder zu fotografieren. Beim Abendessen lernen wir die Eltern von Amy kennen und erfahren viel über Land und Leute. Vor einigen Jahren gab es hier unzählige Touristen und es wurden viele Lodges und Hotels gebaut, die heute verlassen sind und immer mehr verwildern. Amy´s  Familie kämpft weiter an der Touristenfront und auch sie hoffen auf bessere Zeiten.

Am nächsten Tag ist unsere schöne und aufregende Zeit in den Bergen schon vorüber und wir kehren zurück nach Bulawayo. Dort warten noch drei entspannte Tage und die nächste Zugfahrt auf uns.

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